In Leipzig, einer Stadt die sich im starken Wachstum befindet, ist es mittlerweile mehr als offensichtlich wie knapp Wohnraum, speziell bezahlbarer Wohnraum in den vergangenen Jahren geworden ist. In nahezu jedem gut an das (öffentliche) Verkehrsnetz angeschlossenen Stadtteil werden Baulücken geschlossen, Gebäude saniert und fleißig Häuser verkauft und gekauft. Welche Klientel mit dem „neu“ geschaffenen Wohnraum angesprochen werden soll, kann man an den Neubebauungen und Komplettsanierungen der letzten Jahre sehen. Große Fensterfronten, nachgerüstete Balkone und großzügige Grundrisse sind angepasst auf eine gut situierte Mittel- und Oberschicht. Nicht nur Neubauten und Häuser, die nach ihrem jahrelangen teilweise spekulativen Leerstand und dessen Sanierung als Wohnraum erschlossen werden, fallen unter die kapitalistische Verwertung – auch mitunter voll bewohnte Häuser werden ohne Rücksicht auf deren Bewohner*Innen mit meist unseriösen Methoden kapitalschöpfend verwertet.
Die Folgen der kapitalistischen Verwertung von Wohnraum sind Verdrängungs- und Entmietungspraktiken, die auf Kosten der Bewohner*Innen ausgetragen werden. Gängige Mittel der Vermieter*Innen und Hauseigentümer*Innen sind Kündigungen, Neuausstellung und Befristung von Mietverträgen, Sanierungsankündigungen mit nach sich ziehenden enormen Mietpreissteigerungen und das Leerwohnen von Gebäuden. Nicht selten werden Bewohner*Innen unzumutbaren Einschnitten in der Grundversorgung ausgesetzt. Der plötzliche Ausfall der Energie- oder Wasserversorgung oder der Entzug von Tageslicht sind Methoden der Hauseigentümer*Innen die Bewohner*Innen möglichst effektiv einzuschränken. In einigen Fällen wurden und werden Firmen von den Hauseigentümer*Innen beauftragt, eben genau diese Einschnitte in die Grundlagen der Wohnraumnutzung umzusetzen. Dazu gehört bspw. eine WG in der Jahnallee 14, der einfach mal so Bauarbeiter in die Wohngemeinschaft gesetzt wurden mit der Begründung sie hätten doch mündlich zugestimmt. Die verbliebenen Mieterinnen wurden vor vollendete Tatsachen gestellt.
Aus dem Bedarf heraus eine Anlaufstelle zur Intervention gegen Verdrängungs- und Entmietungsprozesse zu schaffen, organisierte „Für das Politische!“ eine Mietsprechstunde im Leipziger Süden, die seitdem aus verschiedensten Mietanliegen besucht wird. Dieses Modell wird seit fast einem Jahr umgesetzt und versucht eine Beratung und Vernetzung Betroffener zu realisieren. Aktuell häufen sich Anfragen, auch außerhalb der Mietsprechstunde, bezüglich drohender Kündigungen oder Mieterhöhungsverlangen bei WG-Mietverträgen, wenn bspw. nur ein Mensch aus bestehenden Wohngemeinschaftsmietverträgen ausziehen möchte. Scheinbar sind WG-Mietverträge ein einfacher und effektiver Angriffspunkt für Vermieter*Innen. Dem muss aber nicht so sein!
Derzeit engagieren sich 3 Menschen in der solidarisch organisierten Mietsprechstunde in Connewitz. Wir machen kaum Werbung und schaffen es zeitlich nicht einmal im Nachgang die von uns betreuten Fälle transparent für die Öffentlichkeit darzustellen. Aus dieser prekären Situation eine politisch starke Bewegung aufzubauen, ist nicht möglich! Wir sehen und spüren jedoch immer häufiger den Bedarf einer solidarisch organisierten Mieter*innenbewegung .
Allein im Jahr 2015 wurden in Leipzig 1022 Zwangsräumgen vollstreckt. Bisher ist es uns nicht gelungen einen lautstarken Protest, geschweige denn einen erfolgreichen Widerstand gegen diese menschenverachtende Realität zu etablieren. Zwangsräumungen finden meist fernab der Öffentlichkeit statt, wobei doch ihre Ursachen uns alle treffen können. Was es braucht, ist ein Bündnis gegen Zwangsräumungen in Leipzig!
Die bewusste Förderung einer kapitalistisch organisierten Wohnungsmarktpolitik schert sich, auch in Leipzig, nicht um die konkreten Wohn- und Freiraumbedürfnisse der Menschen. Und eben solche Politik verändert ganze Stadtteile undemokratisch und renditeorientiert. Die Menschen müssen sich nun aber daran gewöhnen jetzt auch in ihrem letzten vermeintlich sicher geglaubten Refugium, ihrer Wohnung, Unfrieden und Konfliktfähigkeit zu tolerieren mangels sinnvoller Alternativen. Aus diesem Grunde geht es uns alle an für eine solidarische Nachbarschaft einzustehen und über unseren konkreten Mietvertrag hinaus aktiv zu werden.
Wir sollten viele kleine solidarische Mietsprechstunden in verschiedenen Stadtteilen organisieren, denn aus konkreter Hilfe bei Mietstreitigkeiten kann ein politisches Bewusstsein über den eigenen Mietvertrag hinaus entstehen. Wir veranstalten einen Workshop zur Organisation der Mietsprechstunde. Dieser wird am 28.Mai von 15-17 Uhr im 2ek stattfinden. Ziel ist es im Osten Leipzigs eine neue im Mietkampf aktive Anlaufstelle zu etablieren. Die Organisation des Mietkampfes von unten hat das Potential den Vermieter*Innen Angriffspunkte zu entziehen und Wohnraum langfristig und bezahlbar für Alle zu sichern.
Das kann nur funktionieren wenn eine gut aufgestellte Basis zur Vernetzung und Intervention geschaffen wird. Etablierte Initiativen, Bündnisse und Vereine wie der Haus- und Wagenrat, Stadt für Alle und diverse andere kleiner aufgestellte Initiativen können aufgrund personeller Engpässe die erforderliche Grundlage nur bedingt stellen. Der Mieterverein konnte bisher nicht den notwendigen politischen Druck aufbauen, wenn das überhaupt Teil seiner gesellschaftlichen Verantwortung ist.
Die bisher von den Gesetzgeber*innen formulierten Maßnahmen zum Schutz von Mieter*innen greifen alle zu kurz. Eine Mietpreisbremse wirkt teilweise sogar mietsteigernd. Kappungsgrenzen bringen nix , wenn durch einseitig vom Vermieter beschlossenen Modernisierungsankündigungen zu Verdopplung und Verdreifachung von Nettokaltmieten führen. Auch stadtpolitisch umgesetzte Maßnahmen wie Milieuschutzsatzungen werden ihren Zweck augenscheinlich nicht erfüllen. Ein Mietspiegel der lediglich die Neuvermietungen der letzten 4 Jahre erfasst, ist der beste Beweis dafür, dass die Gesetzgeber*innen keine Wohnungspolitik wollen, sondern einen „florierenden“ Wohnungsmarkt. Warum werden nicht alle Bestandsmieten im Mietspiegel erfasst, fragen wir uns mittlerweile nur noch rhetorisch?
Da der gesetzliche Rahmen auf Bundesebene unzureichend ist die kapitalistische Verwertung von Wohnraum zu begrenzen, müssen weitere wirksame Modelle in der Kommunalpolitik konzeptioniert und umgesetzt werden. Es müssen nachhaltigere Verfahren gefunden werden günstigen Wohnraum zu erhalten und zu erschließen. Auch Vermieter*Innen gehören in die Pflicht genommen entsprechend der Bedürfnisse Ihrer Mieter*Innen zu agieren. Strukturierte Entmietungen ganzer Häuser gilt es zu verhindern, insbesondere spekulativen Leerstand gilt es zu verunmöglichen. Hierzu müssen Hausbesitzer*Innen verpflichtet werden verfügbaren Wohnraum zu dessen Nutzung zur Verfügung zu stellen. Die aktive Wiederinanspruchnahme von ungenutztem Wohnraum darf nicht weiter illegalisiert werden, jeder Mensch hat das Recht auf selbstbestimmten Wohnraum.