Am 18. März wollen Neonazis erneut in den Leipziger Süden marschieren. Der Protest formiert sich und auch wir werden als „Für das Politische“ unseren Teil dazu beitragen. Wir rufen dazu auf, am 18.3. kreativ zu sein, zivilen Ungehorsam zu leisten und dabei die gesellschaftlichen Realitäten nicht aus den Augen zu verlieren. Linke Intervention bedeutet mehr als gegen Neonazis zu demonstrieren!
Mit einer antifaschistischen Kundgebung in der Nähe des Nazi-Treffpunktes ab 11:30 am Deutschen Platz in Leipzig bieten wir am 18. März einen Anlaufpunkt für Protest.
Mehr als gegen Neonazis – Am 18. März auf die Straße!
Nur kurze Zeit, nachdem Legida am 09. Januar 2017 nach zwei Jahren regelmäßiger menschenfeindlicher Hetze auf der Straße sein Ende bekannt gab, kündigte die Neonazi-Partei „Die Rechte“ an, erneut im Leipziger Süden aufmarschieren zu wollen.
Am 18. März sollte deren Marsch ursprünglich von der Südvorstadt durch Connewitz führen. Inzwischen ist bekannt, dass die Stadt die Route in den Südosten verlegen will. Ab S-Bahnhof MDR soll es dann über die Semmelweißstraße in die Straße des 18. Oktober bis zum Bayerischen Bahnhof gehen. Ob „Die Rechte“ Rechtsmittel gegen diese Beauflagung einlegen und ob sie vor Gericht Stand hält, ist unklar.
Bereits vor über einem Jahr hatte die „Die Rechte“ im Bündnis mit den faschistischen Initiativen Thügida und Offensive für Deutschland am 12.12.2015 den Versuch unternommen in den Leipziger Süden zu demonstrieren. Nicht mal 200 Neonazis folgten diesem Aufruf seinerzeit. Ordnungsamt und Polizei hatten die ursprünglich als Sternmarsch geplanten Routen auf eine Runde durch die Südvorstadt beschränkt und schotteten den Aufmarsch hermetisch ab. Tausende Menschen waren auf der Straße, doch der Protest in Hör- und Sichtweite wurde verunmöglicht, kleine Sitzblockaden-Versuche brutal aus dem Weg geräumt. Auch an anderen Stellen zeigte sich die Polizei von ihrer repressiven Seite, u.a. durch den Einsatz von Pfefferspray gegen friedliche Demonstrant*innen, die an angemeldeten Versammlungen teilnahmen.
Nicht zu verschweigen sind andererseits die Eskalationen auf und um die Karl-Liebknecht-Straße, die im Nachhinein zu heftigen Diskussionen führten. 69 verletzte Polizeibeamt*innen wurden angeprangert, nur 14 davon sind tatsächlich belegt. Von mindestens zehn Ermittlungsverfahren gegen Polizist*innen wegen Körperverletzung im Amt oder Sachbeschädigung wurde bis dato ein Großteil ohne Ergebnis eingestellt. Die Gewalt durch die Polizei, die es an jenem 12. Dezember 2015 gab bliebt jedoch unter dem Radar der gesellschaftlichen Diskussion.
Am 18. März 2017 werden die Karten neu gemischt. Auch diesmal sind wir der Meinung, dass rechte Stimmungsmache und Neonaziaufmärsche nicht unwidersprochen bleiben dürfen. Es bedarf eines entschlossenen antifaschistischen Protestes – nicht nur weil die Neonazis sich mit Leipzig-Connewitz wieder einen sensiblen Ort für ihren Aufmarsch ausgesucht hatten. Es muss auch am 18. März darum gehen den Neonazis keinen Raum zu lassen, egal im welchen Kiez sie aufmarschieren.
Eher ungelenk wirkt das Demo-Motto der Neonazi-Partei „Heimat erhalten – Familien fördern – Zukunft gestalten“. Nicht nur, dass ihr Familienmodell antiquiert und gerade in urbanen Räumen durch die Realität überholt sein dürfte, ist es vor allem nationalistisch und rassistisch gerahmt und auf die Exklusion von Menschen anderer Herkunft und Lebensweisen orientiert. Die im knappen Demoaufruf vorgetragene Sorge um die „Perspektivlosigkeit und steigende Betreuungskosten in Schulen und Kindergärten“ wirkt deplatziert und soll dem Auflaufen militanter Neonazi-TeilnehmerInnen an diesem Tag wohl einen volksnahen Anstrich geben.
Aber um die Überzeugung von potentiellen Wähler*innen dürfte es der Partei an diesem Tag kaum gehen. Vielmehr ist vor allem die erneute Provokation der alternativen, linken Bewohner*innenschaft im Leipziger Süden angesagt. Das so genannte „Front-Stadt-Konzept“, bei dem es darum geht linke Hochburgen zu kapern, lässt grüßen.
Stramme Neonazis wie „Die Rechte“ müssen angesichts des gesellschaftlichen Klimas „lediglich“ als Spitze eines Eisberges bezeichnet werden. Sie bekommen durch einen breit getragenen getragenen gesellschaftlichen Rassismus und Nationalismus Auftrieb. Die Grenzen zwischen der „Nein-zum-Heim“-Stadtteilinitiative zur terroristischen Nazizelle verschwimmen, wie die Gruppe Freital, gegen die derzeit in Dresden wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung verhandelt wird, zeigt.
Das reaktionäre gesellschaftliche Klima wird durch eine offizielle Politik der Exklusion genährt.Die immer restriktivere Asylgesetzgebung setzt auf den Ausschluss von Menschen, die auch vor den Folgen kapitalistischer Vergesellschaftung fliehen. Die politischen Stichwortgeber*innen sitzen in der Regierung, ihre durch Gesetzgebung materialisierte Stimmungsmache wird auf der Straße durch Angriffe auf vor allem auf Geflüchtete exekutiert.
Eine an Bedeutung gewinnende Stimme in diesem Chor ist die Alternative für Deutschland, die offensiv zum Kulturkampf von rechts aufruft. Dabei will die national-konservative Partei nicht nur erkämpfte emanzipatorische Errungenschaften sozialer und feministischer Bewegungen mit einem Handstrich wieder einkassieren, sondern ganz im Sinne einer Elitenpartei die Axt an den Sozialstaat legen. Ihr Leitbild ist eine sozialdarwinistische Leistungsgesellschaft, in der Reiche begünstigt werden. Damit unterscheidet sich die AfD nur in Tonlage und wirtschaftlicher Abschottungsorientierung von der Politik der Koalition der großen Volksparteien.
Die Konsequenzen für die Menschen sind die gleichen: Mieter*innen werden aus ihren Häusern geschmissen, weil sie der Rendite im Weg stehen, Sozialleistungsempfänger*innen – ob hier geboren, hierher migriert oder geflohen – werden weiter sanktioniert und klein gemacht, Erwerbstätige in prekären Jobs und Gefangene für Hungerlöhne in den Knästen ausgebeutet, öffentliche Daseinsvorsorge gestutzt. Aus den aufpolierten Zentren der Innenstädte wird Armut und Elend auf repressive Art und Weise verdrängt. Die sich gegen diese Politik organisierenden Kämpfe für eine offene und solidarische Gesellschaft werden insbesondere in Sachsen als „extremistisch“ gebrandmarkt und kriminalisiert.
Wenn wir am 18. März gegen den Neonazi-Aufmarsch auf die Straße gehen, werden wir weder den Rassismus auf den Regierungsbänken und bei AfD & Co noch den kapitalistischen Normalbetrieb aus dem Blick verlieren.
Antifa heißt für uns auch die soziale Frage zu stellen und Antworten zu finden, die nicht auf nationalistischen und rassistischen Scheinlösungen basieren.
Unsere Antwort heißt Solidarität. Am 18.3. auf die Straße!